BUSSE - BEKEHRUNG

Gott hat die Menschen dazu berufen, mit ihm in Gemeinschaft zu treten. Nun aber handelt es sich um sündhafte Menschen; um Sünder von Geburt an (Ps 51, 7).Durch die Schuld ihres Stammvaters ist die Sünde in die Welt gekommen (Röm 5, 12), und seitdem wohnt sie im Innersten ihres Ich (7, 20). Um Sünder auf Grund persönlichen Verschuldens, denn jeder von ihnen, der ,,an die Macht der Sünde verkauft ist" (7, 14), hat dieses Joch der sündhaften Leidenschaften freiwillig auf sich genommen (vgl. 7, 5). Die Antwort auf den Anruf Gottes fordert also von ihnen zunächst eine Bekehrung, von dieser an aber eine das ganze Leben hindurch andauernde Haltung der Bussfertigkeit. Aus diesem Grunde nehmen die Bekehrung und die Busse in der biblischen Offenbarung einen beträchtlichen Raum ein. Doch hat jener Wortschatz, der sie zum Ausdruck bringt, erst allmählich und in dem Masse, als sich der Begriff der Sünde vertiefte, seinen vollen Sinngehalt angenommen. Verschiedene Formeln beschreiben die Haltung des Menschen, der sich bewusst auf Gott ausrichtet: ,,Jahve suchen" (Am 5, 4; Os 10, 12), ,,sein Antlitz suchen" (Os 5, 15; Ps 24, 6; 27, 8), ,,sich vor ihm demütigen" (1 Kg 21, 29; 2 Kg 22, 19), ,,sein Herz auf ihn richten" (1 Sm 7, 3)... Der meistverwendete Ausdruck aber, das Zeitwort schub, bringt den Gedanken zum Ausdruck: einen anderen Weg einschlagen, zurückkehren, umkehren. Im religiösen Bereich bezeichnet er ein Sich-Abwenden von dem, was böse ist, und ein Sich-Hinwenden zu Gott. Eben dies aber umschreibt das Wesen der Bekehrung, die eine AEnderung des Verhaltens, eine Neuorientierung der gesamten Lebenseinstellung in sich schliesst. In späterer Zeit hat man den Unterschied zwischen dem inneren Aspekt der Busse und jenen äusseren Akten, die sie anbefiehlt, stärker unterstrichen. Deshalb verwendet die griechische Bibel das Zeitwort epistrepho, das die AEnderung des praktischen Verhaltens meint, und das Zeitwort metanoeo, das die innere Umkehr im Auge hat (metanoia ist die Reue, die Busse), in Verbindung miteinander. Bei der Analyse der biblischen Texte müssen wir diese beiden voneinander verschiedenen, aber sich gegenseitig notwendig ergänzenden Aspekte berücksichtigen.

AT

I. Der Ursprung der Bussliturgien

1. Schon in ältester Zeit wusste man aus der Perspektive der Lehre vom Bunde heraus, dass das Band, das die Gemeinde mit Gott verbinden, durch das Verschulden der Menschen zerrissen werden kann, gleichviel ob es sich dabei um kollektive Sünden handelte oder um individuelle Sünden, die gewissermassen das gesamte Kollektiv in Mitleidenschaft zogen. Deshalb wurden Katastrophen, die die Allgemeinheit trafen, zu Anlässen, um sich der begangenen Verfehlungen bewusst zu werden (Jos 7; 1 Sm 5 - 6). Der Begriff der Sünde war zwar häufig noch sehr unklar und wurde oft als bloß materielle Ausserachtlassung einer göttlichen Forderung verstanden, die den Zorn Jahves erregen konnte. Um das Band mit ihm von neuem zu knüpfen und seine Huld wieder zu erlangen, musste die Gemeinde vor allem andern die Schuldigen bestrafen, wobei u. U. selbst die Todesstrafe vollstreckt werden musste (Ex 32, 25 - 28; Nm 25, 7 ff; Jos 7, 24 ff), mindestens soweit kein ,,Loskauf" des Schuldigen in Frage kam (1 Sm 14, 36 - 45). Dieser aber konnte sich selbst Gott zur Bestrafung ( Strafe anbieten, auf dass seine Gemeinde verschont bliebe (2 Sm 24, 17).

2. Ferner erfleht man, solange die Geissel dauert (oder um deren Eintreten zu verhindern), die göttliche Vergebung durch asketische UEbungen und Bussliturgien: man fastet (Ri 20, 26; 1 Kg 21, 8 ff), zerreisst seine Kleider und hüllt sich in Bussgewänder (1 Kg 20, 31f; 2 Kg 6, 30; 19, 1f; Is 22, 12; vgl. Jon 3, 5 - 8), man bettet sich auf Asche (Is 58, 5; vgl. 2 Sm 12, 16). Man stösst in den kultischen Versammlungen Seufzer und Klagerufe aus (Ri 2, 4; Joel 1, 13; 2, 17). Es gab feststehende Klage- und Bittformulare, von denen uns unser Psalterium mehr als ein Beispiel aufbewahrt hat (vgl. Ps 60; 74; 79; 83; Klgl 5 usw.). Man nahm seine Zuflucht zu Sühne Riten und -Opfern (Nm 16, 6 - 15). Vor allem aber legte man ein allgemeines Sündenbekenntnis ( Bekenntnis ab (Ri 10, 10; 1 Sm 7, 6) und wandte sich gegebenenfalls an einen Führer oder an einen Propheten, z. B. an Moses, um seine Fürbitte (Ex 32, 30 ff).

3. UEbungen dieser Art sind uns aus allen Epochen bezeugt. Der Prophet Jeremias ist selber als Fürbitter an einer Bussliturgie beteiligt (Jr 14, 1 - 15, 4). Nach dem Exil sollte sie eine beträchtliche Weiterentwicklung erfahren. Die Gefahr lag darin, dass sie rein äusserlich bleiben konnte, ohne dass der Mensch mit seinem Herzen innerlich daran beteiligt war und ohne dass er seine Busse in der Folge zur Tat werden ließ. Dieser Gefahr des oberflächlichen Ritualismus stellen die Propheten ihre Botschaft von der Bekehrung entgegen.

II. Die Bekehrungsbotschaft der Propheten

Das Eingreifen Nathans bei dem zum Ehe brecher gewordenen König David kündigt bereits die Busslehre der Propheten an: David wird dazu gebracht, seine Schuld zu bekennen (2 Sm 12, 13), tut daraufhin in aller Form Busse und nimmt schliesslich die göttliche Strafe an (12, 14 - 23). Doch wandte sich die Bekehrungsbotschaft der Propheten vor allem seit dem 8. Jahrhundert an das gesamte Volk. Israel hat den Bund gebrochen, ,,Jahve verlassen und den Heiligen Israels missachtet" (Is 1, 4). Jahve hätte das Recht, es sich selbst zu überlassen, wenigstens, wenn es sich nicht bekehrt. Deshalb wird der Aufruf zur Busse einen wesentlichen Aspekt der prophetischen Predigt bilden (vgl. Jr 25, 3 - 6).

1. Amos, der Prophet der Gerechtigkeit, begnügt sich nicht damit, die Sünden seiner Zeitgenossen anzuprangern. Wenn er sagt, man müsse ,,Gott suchen (Am 5, 4 . 6), so ist diese Formel nicht nur kultisch gemeint. Sie bedeutet: das Gute suchen, nicht aber das Böse, das Böse hassen und das Gute lieben (5. 14f). Dies aber schliesst eine AEnderung des Verhaltens und eine ordnungsgemässe UEbung der Gerechtigkeit in sich; eine solche Umkehr allein kann Gott dazu bewegen, ,,sich des Restes Josephs zu erbarmen" (5, 15). Osee verlangt gleichfalls ein wirkliches Sichabwenden vom Bösen und vor allem vom Götzen Dienst; er verheisst dafür, dass Gott seine Huld wieder zuwenden und von seinem Zorne Abstand nehmen wird (Os 14, 2 - 9). Er geisselt die oberflächlichen Bekehrungen, die keine Frucht zeitigen können, und betont den innerlichen Charakter der echten Bekehrung, die von der Liebe (hesed) und von der Erkenntnis Gottes getragen sein muß (6, 1 - 6).

2. Isaias klagt die Judäer Sünden jeglicher Art an: Verletzungen der Gerechtigkeit und kultischer Vergehen, der Zufluchtnahme zu bloß menschlicher Politik usw. Nur eine wirkliche Bekehrung vermag das Heil zu bringen, denn der Kult ist wertlos (Is 1, 11 - 15; vgl. Am 5, 21 - 25), wenn keine praktische Unterwerfung unter den göttlichen Willen vorhanden ist: ,,Waschet euch! Reinigt euch! Schafft weg eure bösen Taten aus meinen Augen! Höret auf, Böses zu tun! Lernet Gutes zu tun! Trachtet nach Recht, kommet dem Unterdrückten zu Hilfe, lasset der Waise Gerechtigkeit widerfahren!" (Is 2, 16f.) ,,Dann werden eure Sünden, und wären sie rot wie Scharlach, weiß werden wie Schnee, und wären sie wie Purpur, sie würden wie Wolle" (1, 18f). Leider aber weiß Isaias, dass seine Botschaft an der Verhärtung der Herzen scheitern muß (6, 10). ,,Durch Umkehr und Ruhe hättet ihr gerettet werden können ... Aber ihr habt nicht gewollt!" (30, 15.) Deshalb wird das Drama Israels in eine Katastrophe ausmünden. Isaias verbleibt nur die Gewissheit, dass sich ,,ein Rest bekehren wird.. . zum starken Gott" (10, 31; vgl. 7, 3). Jenes Volk, das schliesslich das Heil empfangen wird, besteht aus Bekehrten.

3. Die Betonung der inneren Bereitschaft, die man Gott entgegenbringen muß, wird rasch zum Allgemeingut der prophetischen Predigt: Gerechtigkeit Frömmigkeit und Demut fordert Michäas (Mich 6, 8), Demut und Aufrichtigkeit verlangt Sophonias (Soph 2, 3; 3, 12f). Vor allem aber ist es Jeremias, der das Thema der Bekehrung ausführlich entwickelt. Wenn der Prophet das Unheil verkündet, das Juda bedroht, so nur, ,,damit jeder von seinem bösen Wandel ablasse und Jahve Vergebung gewähren könne" (Jr 36, 3). Aufrufe zur Umkehr geben dem ganzen Buch sein Gepräge; stets aber verweisen sie auch auf die Voraussetzungen dieser Umkehr. Das abtrünnige Israel muß ,,sein Verschulden erkennen", wenn es will, dass Jahve ihm kein Antlitz der Strenge mehr zeige (3, 11f; vgl. 2, 23). Die widerspenstigen Söhne dürfen es nicht bei Tränen und Flehen und dem Bekenntnis ihrer Sünden bewenden lassen (3, 21 - 25); sie müssen ihr Verhalten ändern und ihr Herz beschneiden (4, 1 - 4). Die praktischen Auswirkungen einer AEnderung des Lebenswandels entgehen dem Propheten keineswegs (vgl. 7, 3 - 11); deshalb zweifelt er daran, ob eine wirkliche Bekehrung möglich sei. Denn jene, die er dazu aufruft, verharren lieber in der Verhärtung ihres dem Bösen ergebenen Herzens (18, 11f; vgl. 2, 23 ff). Weit davon entfernt, ihre Bosheit zu beweinen, verfallen sie ihr immer mehr (8, 4 - 7). Deshalb kann der Prophet dem unbekehrbaren Jerusalem nur mehr die Strafe ankündigen (13, 20 - 27). Doch entbehrt seine Zukunftsperspektive deshalb nicht völlig der Hoffnung. Es wird der Tag kommen, da das geschlagene Volk die Strafe annehmen und die Bekehrung des Herzens als eine Gnade erflehen wird: ,,Bewirke, dass ich umkehre, und ich werde umkehren" (31, 18 f). Jahve aber wird diese demütige Bitte erhören und zur Zeit des neuen Bundes ,,sein Gesetz in die Herzen schreiben" (31, 33): ,,Ich werde ihnen ein Herz geben, um zu erkennen, dass ich Jahve bin; sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein, denn sie werden sich aus ganzem Herzen zu mir bekehren" (24, 7).

4. Auch Ezechiel bleibt der prophetischen Tradition treu und konzentriert seine Botschaft zur Zeit, da sich die Drohungen Gottes erfüllten, auf die notwendige Bekehrung: ,,Werft von euch all die Missetaten, die ihr verübt habt! Schaffet euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Warum wollt ihr sterben, Haus Israel? Denn ich will nicht, dass irgendeiner sterben muß! Bekehret euch, und ihr werdet leben!" (Ez 18, 31f.) Bei der Darlegung der göttlichen Forderungen räumt der Prophet den kultischen Vorschriften gewiß einen breiteren Raum ein als seine Vorgänger (22, 1 - 31); doch verweist er auch stärker als diese auf den streng persönlichen Charakter der Bekehrung: Jeder kann nur für sich selbst Verantwortung tragen, jedem wird nach seinem eigenen Verhalten vergolten (3, 16 bis 21; 18; 33, 10 - 20). Gewiß ist Israel ,,ein Haus der Widerspenstigkeit" (2, 4 - 8). Gott aber vermag diesen hartherzigen Menschen aus Gnade zu geben, was er so gebieterisch von ihnen verlangt; zur Zeit des Neuen Bundes wird er ihnen ein neues Herz geben und seinen Geist in sie legen, so dass sie sein Gesetz lieben und ihr böses Verhalten bedauern werden (36, 26 bis 31; vgl. 11, 19f).

5. Die Lehre von der Bekehrung hat sich also von Amos bis zu Ezechiel im Zusammenhang mit einem besseren Verständnis der Sünde beständig vertieft. Am Ende des Exils bezeugt die Trostbotschaft die tatsächliche Bekehrung Israels oder wenigstens seines Restes Das Heil das sie ankündet, wird jenen zuteil, ,,die nach Gerechtigkeit trachten, die Jahve suchen (Is 51, 1), die ,,das Gesetz im Herzen tragen" (51, 7). Ihnen kann er versichern, dass ,,der Frondienst zu Ende und die Sünde gesühnt ist" (40, 22). Jahve spricht zu Israel, seinem Knecht: ,,Ich zerstiebe deine Sünden wie eine Wolke . . . Kehre um zu mir, denn ich habe dich erlöst" (44, 22). Aus dieser neuen Perspektive heraus, die voraussetzt, dass das Volk Gottes in der Treue gefestigt ist, fasst der Prophet eine unerhörte Ausweitung der Heilsverheissungen ins Auge. Denn nach Israel werden sich auch die Heidenvölker bekehren: Sie werden ihre Götzen verlassen und sich alle dem lebendigen Gott zuwenden (45, 14f; 23f; vgl. Jr 16, 19 ff). Der Gedanke wurde weiter entfaltet. Nicht nur, dass sich das nachexilische Judentum Proselyten erschloss, die sich aus dem Heidentum bekehrten (Is 56, 3. 6). Auch die eschatologischen Gemälde ermangeln nicht mehr, diesen religiösen Universalismus zu erwähnen (vgl. Ps 22, 28). Das Buch Jonas bezeugt sogar eine prophetische Predigt, die unmittelbar an die Heiden gerichtet ist, ,,auf dass sie sich bekehren und leben". Am Ende dieser Lehrentwicklung aber sieht man, wie sehr sich der Begriff der Busse vertieft hat; man ist weit von jenem blossen Ritualismus entfernt, der im Israel von einst noch allzuviel Raum eingenommen hatte.

III. Bussliturgie und Bekehrung des Herzens

1. Die nationale Bekehrung Israels war die Frucht der prophetischen Predigt ebenso wie der Prüfung des Exils. Das Exil hatte die providentielle Voraussetzung für jenes Sündenbewusstsein und jenes aufrichtige Bekenntnis geschaffen, die uns die aus späterer Zeit stammenden Texte der deuteronomischen (1 Kg 8, 46 - 51) und der priesterlichen Literatur (Lv 29, 36f) übereinstimmend bezeugen. Nach dem Exil hatte der Geist der Busse in den Geistern so tiefe Wurzeln geschlagen, dass er der gesamten jüdischen Geistigkeit ihr Gepräge gegeben hat. Die alten Bussliturgien bestanden weiter (vgl. Joel 1 - 2), doch hatte ihnen die prophetische Lehre einen neuen Inhalt gegeben. Die aus dieser Zeit stammenden Bücher haben uns stereotyp gewordene Formularien aufbewahrt, in denen die Gemeinde alle Sünden bekennt die das Volk von den Anfängen an begangen hatte, und in denen sie Gott um Vergebung und um die Gewährung des Heiles anfleht (Is 63, 7 - 64, 11; Esr 9, 5 - 15; Neh 9; Dn 9, 4 - 19; Bar 1, 15 - 3, 8). Die kollektiven Klagen des Psalteriums sind nach diesem Muster aufgebaut (Ps 79; 106), und die Erinnerung an die Unbussfertigkeit von einst kehrt immer häufiger wieder (vgl. Ps 95, 8 - 11). Man spürt, dass Israel um eine stets sich erneuernde innere Bekehrung bemüht war. Es war die Zeit, in der auch die Sühne Liturgien weiter ausgebaut wurden: so tief empfand man die Belastung der Sünde.

2. Im individuellen Bereich war dieses Bemühen nicht weniger stark ausgeprägt, denn die Lehre Ezechiels war verstanden worden. Die Psalmen der Kranken und der >> Verfolgten werden mehr als einmal zu einem Sündenbekenntnis (Ps 6, 2; 32; 38; 103, 3f; 143, 1f), und der Dichter des Buches Job beweist ein tiefes Gespür für die eingewurzelte Geneigtheit des Menschen zum Bösen (Jb 9, 30f; 14, 4). Der vollkommenste Ausdruck dieser Gefühle ist das Miserere (Ps 51), wo die prophetische Lehre von den Bekehrung ganz und gar zum Gebet wird: Geständnis der Schuld (VV. 5 ff), Bitte um die innere Läuterung (VV. 3f. 9), Flehen um jene Gnade, die allein das Herz umzuwandeln vermag (VV. 12 ff), Hinwendung zu einem echten religiösen Leben (VV. 15 - 19). Im Mittelpunkt der Bussliturgie steht fortan das Opfer des ,,zerknirschten Herzens (VV. 18f). Man kann verstehen, dass die Anhänger der Qumransekte, die in der Schule solcher Texte herangebildet und Erben jener gesamten Tradition waren, die ihnen vorausgegangen war, auf den Gedanken gekommen sind, sich in die Wüste zurückzuziehen, um sich aufrichtig zum Gesetz Gottes zu bekehren und ihm ,,den Weg zu bereiten". Wenn ihr Bemühen auch mit einem gewissen Legalismus behaftet blieb, ist es doch nicht allzuweit von jenem andern entfernt, dem wir im Neuen Testament begegnen werden.

NT

I. Der Letzte der Propheten

An der Schwelle des Neuen Testaments klingt uns die Bekehrungsbotschaft der Propheten in ihren ganzen Reinheit aus der Predigt Johannes des Täufens, des Letzten von ihnen, entgegen. Lukas fasst seine Sendung in die Worte zusammen: ,,Er wird viele Söhne Israels zum Herrn, ihrem Gott, bekehren" (Lk 1, 16f; vgl. Mal 3, 24). Ein Satz gibt den ganzen Inhalt seiner Botschaft wieder: ,,Bekehret euch, denn das Himmelreich ist nahe" (Mt 3, 2). Das Kommen des Reiches eröffnet eine Perspektive der Hoffnung; Johannes aber unterstreicht vor allem das Gericht das ihm vorausgehen muß. Niemand wird sich dem Zorn entziehen können, der am Tage Jahves offenbar werden wird (Mt 3, 7. 10. 12). Die Zugehörigkeit zum Geschlecht Abrahams wird nichts helfen (Mt 3, 9). Alle Menschen müssen ihre Sündhaftigkeit erkennen, würdige Früchte der Busse bringen (Mt 3, 8), ein neues, ihrem Stande entsprechendes Leben führen (Lk 3, 10 - 14). Zum Zeichen dieser Bekehrung spendete Johannes eine Wassertaufe ( Taufe , die die Büssenden auf jene Taufe des Feuers und des Heiligen Geistes vorbereiten sollte, die der Messias spenden wird (Mt 3, 11 par.).

II. Bekehrung und Eingehen in das Reich Gottes

1. Jesus begnügte sich nicht damit, das Nahen des Reiches Gottes anzukündigen, er begann es machtvoll zu verwirklichen; mit ihm nimmt dieses Reich seinen Anfang, wenn es auch noch geheimnisvollen Erfüllungen entgegengeht. Doch verliert der Ruf nach Bekehrung, den der Täufer erhoben hatte, deshalb nichts von seinen Aktualität; Jesus macht ihn sich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens selber zu eigen (Mk 1, 15; Mt 4, 17). Er ist gekommen, ,,um die Sünder zur Bekehrung aufzurufen" (Lk 5, 32); darin liegt ein wesentlicher Aspekt der Frohen Botschaft vom Reiche Gottes. Derjenige aber, der sich seiner Sündhaftigkeit bewusst wird, kann sich voll Vertrauen an Jesus wenden, denn ,,der Menschensohn hat die Macht, Sünden zu vergeben" (Mt 9, 6 par.). Doch prallt die Botschaft der Bekehrung wirkungslos ab, wo sie auf die menschliche Selbstgenügsamkeit in all ihren Formen stösst, angefangen von der Anhänglichkeit an den Reichtum (Mk 10, 21 - 25) bis zur hochmütigen Selbstsicherheit der Pharisäer (Lk 18, 9). Jesus steht als das ,,Zeichen des Jonas" inmitten eines verkehrten Geschlechtes das Gott gegenüber weniger aufgeschlossen ist, als Ninive dies einst gewesen war (Lk 11, 29 - 32 par.). Deshalb erhebt er gegen es eine Anklage voll der Drohungen: Die Niniviten werden ihm am Tage des Gerichtes das Urteil sprechen (Lk 11, 32); Tyrus und Sidon wird kein so hartes Los treffen als die Seestädte (Lk 10, 13 ff par.). Denn die gegenwärtige Unbussfertigkeit Israels ist das Zeichen der Verhärtung seines Herzens (Mt 13, 15 par.; vgl. Is 6, 10). Wenn die unbussfertigen Zuhörer Jesu ihr Verhalten nicht ändern, werden sie ebenso zugrunde gehen (Lk 13, 1 - 5) wie der unfruchtbare Feigenbaum (Lk 13, 6 - 9; vgl. Mt 21, 18 - 22 par.).

2. Wenn Jesus die Bekehrung fordert, so spielt er in keiner Weise auf die Bussliturgien an. Er warnt sogar vor den allzu auffälligen Zeichen (Mt 6, 16 ff). Worauf es ankommt, ist die Umkehr des Herzens, die den Menschen wieder zu einem Kind werden lässt (Mt 18, 3 par.). Dazu muß das ständige Bemühen kommen, ,,das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen" (Mt 6, 33), das heisst, sein Leben nach dem neuen Gesetz auszurichten. Der Akt der Bekehrung selbst wird uns in anschaulichen Parabeln vor Augen gestellt. Sosehr er den Willen zur sittlichen Umkehr in sich schliesst, ist er doch vor allem ein demütiges Sich-an-Gott-Wenden, ein Akt des Vertrauens: ,,O Gott, sei mir Sünder gnädig" (Lk 18, 13). Die Bekehrung ist eine Gnade die der göttlichen Initiative zu danken ist, die ihr stets vorangeht: der Hirte geht auf die Suche nach dem verlorenen Schäflein (Lk 15, 4 ff; vgl. 15, 8). Die menschliche Antwort auf diese Gnade wird in der Parabel vom verlorenen Sohn, die das Erbarmen des Vaters so wundervoll ans Licht rückt, konkret analysiert (Lk 15, 11 - 32). Denn die Frohe Botschaft vom Reiche Gottes erbringt eine Offenbarung, die uns fast ausser Fassung geraten lässt: ,,Im Himmel ist mehr Freude über einen Sünder, der sich bekehrt, als über 99 Gerechte, die der Busse nicht bedürfen" (Lk 15, 7. 10). Dazu noch erzeigt Jesus den Sündern ein Entgegenkommen, das bei den Pharisäern AErgernis erregt (Mt 9, 10 - 13 par.; Lk 15, 2), aber Bekehrungen bewirkt. Das Evangelium des hl. Lukas erzählt einige dieser Bekehrungen mir sichtlicher Freude in allen ihren Einzelheiten, so die der Sünderin (Lk 7, 36 - 50) und die des Zachäus (19, 5 - 9).

III. Bekehrung und Taufe

Schon während seines irdischen Lebens hatte Jesus seine Apostel ausgesandt, die Bekehrung zu predigen und die Frohe Botschaft vom Reiche Gottes zu verkünden (Mk 6, 12). Nach seiner Auferstehung übertrug er ihnen diese Sendung aufs neue; sie sollten hingehen, um allen Völkern in seinem Namen die Busse zur Vergebung der Sünden zu predigen (Lk 24, 47), denn die Sünden werden denjenigen nachgelassen werden, denen sie sie nachlassen werden (Jo 20, 23). Die Apostelgeschichte und die Briefe lassen uns die Ausführung dieses Befehles miterleben. Doch vollzieht sich die Bekehrung auf verschiedene Art und Weise, je nachdem es sich um Juden oder um Heiden handelt.

1. Von den Juden wird vor allem die sittliche Umkehr verlangt, zu der schon Jesus aufgerufen hatte. Diese Sinnesänderung (metanoia) beantwortet Gott durch Gewährung der Vergebung der Sünden (Apg 2, 38; 3, 19; 5, 31). Sie wird durch den Empfang der Taufe und die Gabe des Heiligen Geistes besiegelt (Apg 2, 38). Doch muß die Bekehrung zugleich mit der sittlichen Umkehr auch einen positiven Akt des Glaubens an Christus einschliessen: die Juden müssen sich zum Herrn bekehren (epistrephein: Apg 3, 19; 9, 35). Nun war aber ein solches Ja zu Christus am allerschwersten erreichbar, wie der hl. Paulus erfahren musste. Die Juden hatten eine Hülle über ihrem Herzen. Wenn sie sich dem Herrn zuwandten, wurde diese Hülle hinweggenommen (2 Kor 3, 16). Nach den Worten des Isaias aber (Is 6, 9f) ließ ihre Verhärtung sie von ihrem Unglauben nicht loskommen (Apg 28, 24 - 27). Obwohl ebenso sündhaft wie die Heiden, obwohl ebensosehr vom göttlichen Zorne bedroht wie jene, begreifen sie nicht, dass Gott nun Langmut übt, um sie zur Umkehr zu führen (Röm 2, 4). Nur ein Rest entsprach der apostolischen Predigt (Röm 11, 1 - 5).

2. Bei den Heidenvölkern fand die Frohe Botschaft bessere Aufnahme. Bei der Taufe des Hauptmanns Cornelius stellten die Christen jüdischer Herkunft mit Erstaunen fest, dass ,,jene Sinnesänderung, die zum Leben führt, den Heiden ebenso verliehen wurde wie ihnen" (Apg 11, 18; vgl. 17, 30). Und tatsächlich wurde sie auch in Antiochien und anderenorts mit grossem Erfolge verkündet (Apg 11, 21; 15, 3. 19). Sie bildete sogar den besonderen Gegenstand der Sendung des hl. Paulus (Apg 26, 18. 20). Zugleich mit der sittlichen Umkehr (metanoia) aber verlangte die Bekehrung in diesem Falle, dass man sich von den Götzen abwandte, um sich nach dem Beispiel einer Bekehrung, die schon den Deutero-Isaias ins Auge gefasst hatte, dem lebendigen Gott zuzuwenden (epistrephein: Apg 14, 15; 26, 18; 1 Thess 1, 9). War dieser erste Schnitt einmal getan, konnten sich Heiden wie Juden ,,Christus zuwenden, dem Hirten und Hüter ihrer Seelen" (1 Petr 2, 25).

IV. Sünde und Busse in der Kirche

1. Der durch die Taufe besiegelte Bekehrungsakt ist ein für allemal vollzogen. Es ist unmöglich, dessen Gnade noch einmal zu erlangen (Hebr 6, 6). Nun aber besteht auch für die Getauften die Gefahr eines Rückfalles in die Sünde; die apostolische Gemeinde hat dies sehr bald erfahren müssen. In diesem Falle wird die Busse neuerdings zu einer Notwendigkeit, will man trotz allem am Heile Anteil erhalten. Der hl. Petrus fordert Simon den Magier auf, dies zu tun (Apg 8, 22). Der hl. Jakobus fordert die eifrigen Christen dazu auf, die Sünder aus ihner Verirrung heimzuholen (Jak 5, 19f). Der hl. Paulus freut sich, dass die Korinther sich bekehrt haben (2 Kor 7, 9f), wenn er auch fürchten muß, dass einige Sünder dies nicht getan haben (12, 21). Er fordert Timotheus auf, die Widerspenstigen zurechtzuweisen, in der Hoffnung, dass Gott ihnen die Gnade der Bekehrung schenken werde (2 Tim 2, 25). Endlich liest man in den Botschaften an die sieben Kirchen, mit denen die Apokalypse beginnt, klare Aufforderungen zur Bekehrung, die ein entsprechendes Abweichen vom ersten Eifer voraussetzen (Apk 2, 5. 16. 21f; 3. 3. 19). Ohne ausdrücklich vom Busssakramente zu sprechen, beweisen diese Texte, dass die Tugend der Busse im christlichen Leben als Fortsetzung der Taufbekehrung ihren Platz haben muß.

2. Denn nur die Busse allein vermag den Menschen auf das Erscheinen vor dem << Gericht Gottes vorzubereiten (vgl. Apg 17, 30f). Nun aber geht die Geschichte diesem Gerichte entgegen. Wenn sich sein Kommen zu verzögern scheint, so einzig deshalb, weil Gott ,,Langmut übt, da er will, dass kein Mensch verlorengehe, sondern, wenn möglich, alle zur Sinnesänderung gelangen" (2 Petr 3, 9). Aber ebenso, wie sich Israel zur Zeit Christi und angesichts der apostolischen Verkündigung in der Unbussfertigkeit verhärtet hat, ebenso werden sich die Menschen nach der Apokalypse auch in Zukunft dem Verständnis der Bedeutung jener Katastrophen ( Drangsale verschliessen, die im Laufe ihrer Geschichte hereinbrechen und den Tag des Zornes ankündigen. Auch sie werden sich in der Unbussfertigkeit verhärten (Apok 9, 20f) und den Namen Gottes lästern statt sich zu bekehren und ihm die Ehre zu geben (16, 9. 11). Damit sind aber nicht die Mitglieder der Kirche gemeint, sondern nur die Heiden und Abtrünnigen (vgl. 21, 8). Eine düstere Perspektive, die das Gericht Gottes beschliessen wird. Deshalb ist es so notwendig, dass sich die Christen durch die Busse ,,aus diesem verkehrten Geschlechte retten" (Apg 2, 40). Barmherzigkeit